GRUNDLEGENDE ÄNDERUNGEN (UND ERLEICHTERUNGEN) IM EU-WARENVERKEHR BEI DER UMSATZSTEUER IN DEUTSCHLAND

Durch das „Jahressteuergesetz 2019“ werden ab 01.01.2020 in Deutschland einige wichtige Neuregelungen im EU-Warenverkehr in Kraft treten. Die Änderungen (sog. Quick-Fixes –am derzeitigen Mehrwertsteuer-System) resultieren aus der zwingenden Umsetzung des Unionsrechts, dessen Änderungen von den EU-Mitgliedstaaten Ende 2018 verabschiedet wurden und EU-weit umgesetzt werden müssen. Sie betreffen

1. die USt-IdNr. und die Zusammenfassende Meldung im Kontext der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen,
2. die „EU-Gelangensbestätigung“,
3. grenzüberschreitende Reihengeschäfte sowie
4. Vereinfachungen für Konsignationslager.

1. STEUERBEFREIUNG FÜR INNERGEMEINSCHAFTLICHE LIEFERUNGEN
Aktuell stellt die Steuerbefreiung EU-grenzüberschreitender Lieferungen zwischen Unternehmern lediglich auf die Warenbewegung und die grundlegende Unternehmereigenschaft des Abnehmers ab.

Ab dem 01.01.2020 gelten folgende zusätzlichen Voraussetzungen:

• Registrierung des Abnehmers im MIAS-System (Unionsrechtliches Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) nach Art. 17 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 1798/2003 vom 07.10.2012 (Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Unterhaltung eines elektronischen Verzeichnisses der Personen, denen die Mitgliedstaaten eine USt-IdNr. Erteilt haben) und Mitteilung der USt-IdNr. an den Erwerber
• sowie fristgerechte Abgabe der zusammenfassenden Meldung durch den Lieferer.

Die neu eingefügte materielle Voraussetzung, dass der Lieferer die gültige USt-IdNr. des Erwerbers aufzeichnen muss, damit er die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen kann, verschärft im Ergebnis die buchmäßigen Anforderungen an die Aufzeichnungspflichten. Bereits aus Gründen der Rechtssicherheit kann damit in Zukunft nicht mehr auf die regelmäßige, qualifizierte Verifizierung der USt-Id-Nr. des Erwerbers (https://evatr.bff-online.de/eVatR/index_html) verzichtet werden.

Dieser sog. „qualifizierten Bestätigungsabfrage“ der USt-Id-Nr. des Erwerbers kommt somit ab 2020 erhöhte Bedeutung zu. Bei diesen Abfragen zur Bestätigung von USt-IdNrn. besteht neben der „händischen“ und daher aufwändigen Abfrage einzelner USt-IdNrn. auch die Möglichkeit der Einbindung in das bestehende Buchhaltungssystem und damit der automatisierten Abfrage über eine sog. „XML-RPC-Schnittstelle“ (https://evatr.bff-online.de/eVatR/xmlrpc/).

Die zweite Änderung dürfte weniger Praxisrelevanz besitzen. Hiernach wird die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung versagt, wenn der liefernde Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung („ZM“) nicht, nicht vollständig und richtig im Hinblick auf die jeweilige Lieferung nachgekommen ist. Berichtigt der Unternehmer eine ursprünglich unrichtig, unvollständig o. Ä. abgegebene ZM, wirkt dies für Zwecke der Steuerbefreiung jedoch auf den Zeitpunkt des Umsatzes zurück. Entsprechendes gilt für die verspätete Abgabe einer richtigen und vollständigen Meldung. Die Voraussetzung kann somit auch noch später nachgeholt werden.

2. „EU-GELANGENSBESTÄTIGUNG“
Ab 01.01.2020 gilt eine neue Gelangenheitsvermutung mit einem neuen „Gelangenheitsnachweis“ für den Nachweis des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland. Die Regelung wird aber neben der bisherigen nationale „Gelangensbestätigung“ gelten.

Eine Konkurrenz zwischen der neuen Gelangensvermutung und dem neuen Gelangensnachweis (alte Gelangensbestätigung) ist nicht auszumachen, sodass keine Änderungen in der praktischen Handhabung erforderlich sein werden. Praktische Anwendungsfälle der neuen „Gelangensvermutung“ werden sich kaum ergeben, da die bisherigen, weiter geltenden Regelungen einfacher (zahlenmäßig weniger Nachweise und keine Differenzierung in Liefer- und Abholfälle) sind und seit jeher in der Buchhaltung verwendet werden.

3. GRENZÜBERSCHREITENDE REIHENGESCHÄFTE
Das umsatzsteuerliche Reihengeschäft ist ein besonders geregelter Sonderfall von mehreren Lieferungen in einer Kette und bisher rein national (also nicht EU-weit) geregelt. Bei grenzüberschreitenden Reihengeschäften kam es daher bisher in der Regel zu Konkurrenzen verschiedener Rechtansichten der Mitgliedstaaten (Doppelbesteuerungen, unnötige Registrierungen etc.). Diese Konkurrenzen enden nunmehr ab 01.01.2020 aufgrund der EU-weiten, einheitlichen Neuregelung, die sich in § 3 Abs. 6a UStG wiederfinden wird.

Vorteile der Neuregelung sind
• eine einheitliche, grenzüberschreitende Planung und sichere umsatzsteuerrechtliche Beurteilung sowie
• der sich kaum ergebende Anpassungsbedarf in der Praxis für deutsche Unternehmer, da die Neuregelung nahezu identisch ist mit der bisherigen nationalen Sichtweise.

Der wesentliche Unterschied in der Neuregelung kommt in den Fällen zum Tragen, in denen ein mittlerer Unternehmer (sog. Zwischenhändler) den Warentransport veranlasst. Die Zuordnung der Warenbewegung war bisher problematisch. Dies ist nunmehr allein durch die Verwendung der USt-IdNr. des Abgangsmitgliedstaates durch den den Transport veranlassenden Zwischenhändler beschränkt und daher eindeutiger.

4. KONSIGNATIONSLAGERREGELUNG
Um eine einheitliche Behandlung in der EU sicherzustellen, wurde auf EU-Ebene der Begriff der Konsignationslagerregelung definiert und für entsprechende grenzüberschreitende Fälle eine einheitliche Vereinfachungsregelung eingeführt. Diese gilt nur für Unternehmen aus der EU.

Die Vereinfachung findet optional Anwendung, wenn eine innergemeinschaftliche Warenbewegung vorliegt zu dem Zweck, die Waren später an einen vorher bestimmten, anderen Unternehmer zu liefern, mit dem eine Vereinbarung zur Eigentumsübertragung besteht (§ 6b Abs. 1 Nr. 1 UStG). Insofern muss zu Beginn der Versendung der konkrete Abnehmer bekannt sein.

Die Vereinfachung liegt darin, dass (aus Sicht des liefernden deutschen Unternehmers) die Lieferung kein innergemeinschaftliches Verbringen darstellt und somit keine innerstaatliche Lieferung im Abnehmerland mit Registrierungspflichten entsteht.

Auch ein „call-off-stock“ stellt eine Form des Konsignationslagers dar, unterscheidet sich von diesem jedoch dadurch, dass nur ein Abnehmer auf das Lager zugreifen darf. Bei einem Konsignationslager, das üblicherweise nicht durch den Lieferer, sondern durch ein Logistikunternehmen betrieben wird, können auch mehrere Abnehmer Zugriff auf die dort gelagerten Waren haben.

Vorsicht:
Die Vereinfachung setzt u. a. zwingend die Erfüllung zweier neuer Aufzeichnungspflichten durch den Lieferer voraus:
• Führung eines Konsignations-Lagerregisters mit umfangreichen Buchnachweisen (§ 6b Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 22 Abs. 4f UStG) sowie
• Meldung des grenzüberschreitenden „Verbringens“ in das Konsignationslager ausschließlich in der Zusammenfassenden Meldung (§ 6b Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. 18a Abs. 1, Abs. 6 Nr. 3, Abs. 7 Nr. 2a UStG).