Viertes Bürokratieentlastungsgesetz
Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurde am 26. September 2024 vom Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 18.10.2024 zu. Am 29. Oktober 2024 wurde es im Bundesgesetzblatt Teil I veröffentlicht. Das Bürokratieentlastungsgesetz IV tritt nun – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen – am 01.01.2025 in Kraft.
Das Gesetz zielt darauf ab, die Wirtschaft jährlich um 944 Millionen Euro zu entlasten und administrative Abläufe in Deutschland zu vereinfachen. Es umfasst insgesamt 74 Artikel und ist Teil einer breiteren Initiative der Bundesregierung zum Bürokratieabbau und zur Förderung des Wirtschaftswachstums. Mit dem BEG IV sollen u.a. die Schriftform bei Arbeitsverträgen vereinfacht, Aufbewahrungsfristen verkürzt, umsatzsteuerliche Pflichten erleichtert und Steuerbescheide grundsätzlich digital zum Abruf bereitgestellt werden.
Das BEG IV bündelt eine Reihe von Einzelmaßnahmen, die sich folgenden Schwerpunkten zuordnen lassen:
- Arbeitsrecht (1.)
- Verkürzung von Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht (2.)
- Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung (3.)
- Abbau von Melde- und Informationspflichten (4.)
- Projekte zur Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung (5.)
- weitere Erleichterungen, insbesondere Streichung einzelner überflüssiger Vorschriften.
Im Folgenden einige der wichtigsten Maßnahmen für Unternehmen:
1. Arbeitsrecht
Digitalisierung und Übermittlung von Arbeitsverträgen
Arbeitsverträge müssen nicht mehr zwingend schriftlich geschlossen werden. Mit dem BEG IV wird die Erfüllung der Formanforderungen des NachwG erleichtert. Der Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen kann künftig in Textform erfolgen, was die elektronische Übermittlung ermöglicht. Das bedeutet konkret, dass künftig die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Sinne des § 2 NachwG in Textform abgefasst und elektronisch an den Arbeitnehmer übermittelt werden können.
Dies gilt allerdings nur dann, wenn
- das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist,
- gespeichert und ausgedruckt werden kann und
- der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen.
Für die Übermittlung der wesentlichen Arbeitsbedingungen muss also ein Medium verwendet werden, auf das der Arbeitnehmer Zugriff hat. Hierbei ist zu beachten, dass die Übermittlung individuell an den jeweiligen Arbeitnehmer erfolgen muss.
Mit dem neuen Gesetz wird die rechtliche Grundlage für die Verwendung elektronischer Signaturen bei Arbeitsverträgen deutlich gestärkt. Elektronische Signaturen werden nun den handschriftlichen Unterschriften gleichgestellt, sofern sie den EU-Normen für qualifizierte elektronische Signaturen entsprechen. Dies bedeutet, dass Verträge, die digital unterzeichnet werden, die gleiche rechtliche Gültigkeit besitzen wie traditionell unterzeichnete Dokumente.
Vereinfachung von Vertragsänderungen: Auch Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen können künftig in Textform vereinbart werden, was die Flexibilität erhöht.
Erleichterungen bei Zeugnissen: Arbeitgeber erhalten die Möglichkeit, Zeugnisse in Dienst- und Arbeitsverhältnissen in Textform zu erstellen. Das Einverständnis des Arbeitnehmers ist allerdings erforderlich.
Altersgrenzenvereinbarungen: Vereinbarungen über Altersgrenzen in Arbeitsverträgen können künftig rechtswirksam in Textform getroffen werden, statt wie bisher die Schriftform oder eine qualifizierte elektronische Signatur zu erfordern.
Was bleibt, wie es war?
Die gelockerten Formvorschriften in § 2 NachwG gelten allerdings nicht uneingeschränkt: Zum einen kann der Arbeitnehmer auch nach wie vor verlangen, dass ihm die Arbeitsbedingungen in Schriftform ausgehändigt werden (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachwG n.F.). In dem Fall hat der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen unverzüglich dem Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Erteilt der Arbeitgeber trotz des Verlangens des Arbeitnehmers den Schriftformnachweis nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig, handelt es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 NachwG n.F.).
Befristungen weiterhin schriftlich: Für befristete Arbeitsverträge bleibt das Schriftformerfordernis bestehen. Enthält ein Arbeitsvertrag neben den Arbeitsbedingungen im Sinne des NachwG auch eine Befristungsabrede, so ist dringend auf die Schriftform zu achten.
Einschränkungen und Ausnahmen: Einige Branchen/Wirtschaftsbereiche (z.B. Bau- und Gaststättengewerbe, Speditionswesen) sind von bestimmten Erleichterungen ausgenommen, um mögliche Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Zum anderen gelten für Unternehmen, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig tätig sind, die besonders von Schwarzarbeit betroffen sind (z.B. das Bau- und Gaststättengewerbe), diese neuen Formvorschriften nicht. Hier müssen die Arbeitsbedingungen auch weiterhin in Schriftform zur Verfügung gestellt werden.
2. Steuer- und Handelsrecht: Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege
Bislang sind Buchungsbelege grundsätzlich 10 Jahre aufzubewahren. Das BEG IV sieht vor, die Aufbewahrungsfrist für diese Belege auf 8 Jahre zu verkürzen (§ 147 Abs. 3 AO, § 257 Abs. 4 HGB). Die Erleichterung gilt für alle Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist am Tag nach der Verkündung des BEG IV noch nicht abgelaufen ist.
Auch die umsatzsteuerliche Frist zur Aufbewahrung von Rechnungen in § 14b Abs. 1 Satz 1 UStG wird an die neue Frist angepasst. Die Entlastung ist nach § 27 Abs. 40 (neu) UStG auch für bereits ausgestellte und empfangene Rechnungen wirksam – die Fristverkürzung greift daher bereits dann, wenn am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes die bisherige 10-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen war.
Es gibt aber eine Sonderregelung für Personen oder Gesellschaften, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen. Hier gilt die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen erst mit einer Verzögerung von einem Jahr.
3. Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung
Bekanntgabe von Steuerbescheiden
Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Bekanntgabe von Steuerbescheiden durch Bereitstellung zum Datenabruf werden grundlegend modernisiert. Gemäß der neuen Fassung von § 122a Abs. 1 Satz 1 AO können Verwaltungsakte dem Beteiligten (oder der von ihm bevollmächtigten Person) bekannt gegeben werden, indem sie gemäß § 87a Abs. 8 AO zum Abruf bereitgestellt werden. Die ab 1.1.2026 geltende Neuregelung verzichtet auf die Notwendigkeit der Einwilligung des Empfängers des Verwaltungsakts und wird durch eine Widerspruchslösung ersetzt.
Änderungen im BGB
Das BEG IV enthält weiterhin zahlreiche Änderungen, die entweder der bereits realisierten Digitalisierung von Sachverhalten Rechnung tragen, oder die Digitalisierungsvorhaben vorantreiben sollen. Der digitale Wandel soll hierbei insbesondere durch die Aufhebung von Schriftformerfordernissen oder durch deren Herabstufung auf die Textform nach § 126b BGB umgesetzt werden. Denn die Schriftform verlangt die eigenhändige Unterschrift auf Papier und verursacht somit Medienbrüche in digitalisierten Prozessen.
Änderungen im Steuerberatungsgesetz
Außerdem wird wie schon jetzt bei der Meldung nach § 3a Abs. 2 Satz 1 StBerG bei vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen künftig auch das öffentlich-rechtliche Schriftformerfordernis für Änderungsmeldungen nach § 3a Abs. 4 StBerG durch die Möglichkeit der elektronischen Mitteilung ergänzt (ab dem ersten Tag des auf die Gesetzesverkündung folgenden Quartals).
Eine zentrale Vollmachtsdatenbank ermöglicht es ab dem 1.1.2028, dass Arbeitgeber ihren Steuerberatern nicht mehr zahlreiche schriftliche Vollmachten für die jeweiligen Träger der sozialen Sicherung ausstellen müssen. Künftig genügt eine Generalvollmacht, die in der Vollmachtsdatenbank elektronisch eingetragen und von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden kann (§ 85a Abs. 2 Nr. 12, 13 StBerG, § 105a SGB IV)
Textform in weiteren Gesetzen
Betroffen sind u. a. auch Änderungen der Wirtschaftsprüferordnung, des HGB, der Bundesrechtsanwaltsordnung, des Umwandlungsgesetzes, des Aktiengesetzes und des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
4. Abbau von Melde- und Informationspflichten
Änderungen im Umsatzsteuergesetz
Durch die ab 1.1.2025 geltende Anhebung von Schwellenwerten in § 18 Abs. 2, 2a UStG von 7.500 EUR auf 9.000 EUR Umsatz im Kalenderjahr soll die Anzahl der abzugebenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen reduziert werden. Wird der Schwellenwert nicht überschritten, muss die Umsatzsteuer-Voranmeldung nur vierteljährlich abgegeben werden.
Die Anhebung der Bagatellgrenze bei der Differenzbesteuerung von 500 EUR auf 750 EUR in § 25a Abs. 4 UStG (ab 1.1.2025) soll Entlastungen bei der Ermittlung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage bringen. Nach dieser Vorschrift kann ein Wiederverkäufer vereinfacht die Bemessungsgrundlage nach der Gesamtdifferenz aus allen innerhalb eines Besteuerungszeitraumes getätigten Einkäufen und Verkäufen bilden, sofern der Einkaufspreis die Bagatellgrenze nicht übersteigt.
5. Projekte zur Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung
Verrechnungspreisdokumentation und Transaktionsmatrix
Die Neuregelung der Aufzeichnungspflichten bei den Verrechnungspreisen in § 90 Abs. 3 und 4 AO soll zu einer Entlastung der Wirtschaft führen, da nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nicht mehr sämtliche Verrechnungspreisunterlagen erstellt und automatisch vorgelegt werden müssen. § 90 Abs. 3 AO wird ab dem 1.1.2025 neu strukturiert und die einzelnen Aufzeichnungspflichten (Transaktionsmatrix, Sachverhaltsdokumentation und Angemessenheitsdokumentation) numerisch untergliedert. Wesentlicher neuer Bestandteil der Aufzeichnungen in § 90 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ist eine Transaktionsmatrix, die in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung näher spezifiziert werden soll und in der Betriebsprüfungspraxis in Teilen schon zur Anwendung gelangt.
Freistellungsbescheinigungen
Die Geltungsdauer von Freistellungsbescheinigungen bei der Kapitalertragsteuer und beim Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen wird von drei auf fünf Jahre verlängert werden (ab VZ 2024).
Befugnis von Notaren bei Unternehmensgründungen
Das BEG IV stellt klar, dass Notare, die Erklärungen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung beurkunden oder beglaubigen, befugt sind, für die Beteiligten Anzeigen zu erstatten, Mitteilungen vorzunehmen und Anträge zu stellen, die im Zusammenhang mit der Gründung stehen.