Neue Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen

Neue Nachhaltigkeitsvorgaben für Unternehmen – mittelbar und unmittelbar

Die neue EU- Wertschöpfungsrichtlinie – Corporate Sustainability Reporting Directive sieht vor, dass Unternehmen in Zukunft mit ihrem Jahresabschluss detailliert über den Umgang mit sozialen und ökologischen Herausforderungen berichten sollen.

Die neugefasste Richtlinie (EU) 2022/2464 ist seit Anfang 2023 in Kraft und muss bis Mitte 2024 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Mit der Neufassung sollen Nachhaltigkeitsinformationen den gleichen Stellenwert wie Finanzinformationen eines Unternehmens erhalten.

Am 22.03.2024 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Rechtlinie. Der Referentenentwurf plant eine 1:1 Umsetzung der europäischen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zum einen wird geregelt, wer, wann und mit welchem Inhalt zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet ist sowie wer nach welchen Maßstäben dazu einen Prüfungsvermerk zu erteilen hat.

Ziel ist es, den Umgang von Unternehmen mit Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen über die gesamte Wertschöpfungskette transparenter zu machen. Die Angaben sollen letztlich durch Wirtschaftsprüfer geprüft werden.

Betroffene Unternehmen / Zeitablauf

Ab 2024 müssen kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Ab 2025 gilt dies für alle großen Kapitalgesellschaften und KapCo-Gesellschaften. Ab 2026 sind kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen verpflichtet. Ab 2028 müssen auch Tochterunternehmen und Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat einen Bericht verfassen.

Diese Verpflichtungen bestehen auch für den Konzern (Konzernnachhaltigkeitsbericht). Auf Ebene der Einzelgesellschaft ist kein Bericht nötig, wenn sie in den Konzernnachhaltigkeitsbericht einbezogen wird und bestimmte Anforderungen erfüllt. Dies gilt nach § 289b Abs. 2 HGB-E, wenn das Mutterunternehmen in der EU bzw. dem EWR sitzt. Für Drittstaatenmunterunternehmen gilt § 289b Abs. 3 HGB-E. Auch das Mutterunternehmen selbst muss bei Erstellung eines Konzernnachhaltigkeitsberichts keinen weiteren Nachhaltigkeitsbericht auf Einzelabschlussebene erstellen (§ 289b Abs. 5 HGB-E). Rechtspraktisch wird sich daher die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf den Konzern konzentrieren.

Mittelbar können auch bereits vor 2025 nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen bzw. generell nicht große Kapitalgesellschaften von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen sein, wenn sie als Abnehmer oder Lieferant Teil der Wertschöpfungskette eines der o. g. Unternehmen sind. Die mittelbare Betroffenheit ergibt sich daraus, dass nach § 289c Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b und Abs. 4 HGB-E auch über die wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen, die mit der Wertschöpfungskette der Kapitalgesellschaft verbunden sind, und über die Maßnahmen zur Ermittlung und Überwachung dieser Auswirkungen berichtet werden muss. Zwar ist nach Art. X1 Abs. 4 EGHGB-E der primär zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Verpflichtete u. a. in seinem Erstanwendungsjahr und den beiden Folgejahren von Informationen zur Wertschöpfungskette befreit, dies aber nur, wenn er 1. erläutert, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um die erforderlichen Informationen über die Wertschöpfungskette zu erhalten, 2. begründet, warum nicht alle erforderlichen Informationen eingeholt werden konnten, und 3. die Pläne erläutert, um künftig die erforderlichen Informationen einzuholen.

Ein Rückgriff auf diese Gründe kann dem Image einer konsequent nachhaltigen Unternehmenspolitik zuwiderlaufen und deshalb u. U. nicht oder nur im äußersten Fall genutzt werden. Die Folge wird Druck auf Abnehmer und Zulieferer zur Bereitstellung entsprechender Nachhaltigkeitsinformationen sein. Dies impliziert nicht, dass die mittelbar Betroffenen selbst einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, prüfen lassen und veröffentlichen müssen. Es bedeutet aber, dass sie Systeme zur Ermittlung von Nachhaltigkeitsinformationen implementieren müssen, die für die berichtspflichtigen Geschäftspartner in der Wertschöpfungskette relevant sind.

Am 15.3.2024 wurde die Endfassung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) im Rat der EU beschlossen, die Zustimmung des Parlaments erfolgte faktisch als Formsache am 24.4.2024. Dies stellte den letzten entscheidenden Meilenstein in einer mehrjährigen Entwicklungsgeschichte der Etablierung von Sorgfaltspflichten für Unternehmen dar. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Zusammenspiel mit den bereits geltenden Berichtsvorgaben gem. der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – sowie auf den Implikationen, die sich für europäische Unternehmen hieraus ergeben.

Den genannten internationalen Instrumenten folgend haben die einzurichtenden Prozesse bestimmte Phasen zu durchlaufen, die eine kontinuierliche Befassung mit den Interessen der Stakeholder sowie v. a. die Vermeidung, Verminderung bzw. Wiedergutmachung von negativen Auswirkungen auf diese Stakeholder zum Gegenstand haben. Entsprechend ist ein vorausschauendes Risikomanagement in ESG-Belangen einzurichten. Dabei sind die von der CSDDD andressierten Unternehmen nicht nur für die eigene Geschäftstätigkeit verantwortlich, sondern auch für jene ihrer Geschäftspartner in der sog. „Aktivitätenkette“. Dies ist ein Ausschnitt der Wertschöpfungskette, d. h. vorgelagert der Lieferanten und nachgelagert der Kunden – wobei die direkten wie z. T. die indirekten Geschäftsbeziehungen (z. B. Sub-Lieferanten) mit umfasst sind. Die nunmehr vorliegende Endfassung der CSDDD spezifiziert diese Ausschnitte weiter und schränkt sie v. a. hinsichtlich der nachgelagerten Wertschöpfungskette auf wenige Aktivitäten ein (Transport, Distribution und Lagerung von Produkten); der Finanzsektor wird darüber hinaus – zumindest vorerst – weitgehend davon befreit, seine kundenseitige Wertschöpfungskette in die Betrachtung aufzunehmen.

Die von der CSDDD adressierten Unternehmen haben die sie treffenden Verpflichtungen entlang der relevanten Aktivitätenkette weiterzureichen– z. B. durch entsprechende vertragliche Zusicherungen. Dass diese Zusicherungen in Folge von den Geschäftspartnern eingehalten werden, ist durch externe Stellen zu verifizieren; neben externen Dienstleistern wie Wirtschaftsprüfern kommen hierfür Industrieinitiativen oder NGO in Betracht. Die von der CSDDD adressierten Unternehmen müssen allerdings ihren Geschäftspartnern auch Unterstützung anbieten (z. B. in Form von Zuwendungen oder in der Ausgestaltung ihrer Geschäftsbeziehungen), wenn diese durch die Fülle der weitergereichten (also mittelbaren) Verpflichtungen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht werden. Letzteres ist v. a. im Hinblick auf KMU, die einen großen Teil der Geschäftsbeziehungen von Großunternehmen darstellen können, von besonderer praktischer Relevanz.

Fazit:

Unternehmen, die nicht direkt von den oben dargestellten Richtlinien betroffen sind, können dennoch mittelbare Folgen spüren:

  • Anforderungen von Geschäftspartnern:
    Unternehmen, die unter die CSRD fallen, müssen Informationen über ihre gesamte Wertschöpfungskette berichten. Daher werden sie von ihren Zulieferern und Abnehmern Nachhaltigkeitsdaten anfordern, um diese in ihre Berichte aufzunehmen. Auch mittelbar betroffene Unternehmen müssen also Systeme zur Erfassung dieser Daten implementieren.
  • Wettbewerbsnachteile:
    Unternehmen, die keine oder nicht ausreichend Nachhaltigkeitsinformationen bereitstellen können, riskieren Wettbewerbsnachteile gegenüber Lieferanten, die dies tun. Große Unternehmen könnten nachhaltigere Lieferanten bevorzugen.
  • Reputationsrisiken:
    Fehlende Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte kann zu Reputationsschäden und Vertrauensverlust bei Stakeholdern wie Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit führen.
  • Mögliche zukünftige Regulierung:
    Die CSRD und CSDDD könnten Vorboten für eine zukünftige Ausweitung der Berichtspflichten auf kleinere Unternehmen sein. Eine frühzeitige Vorbereitung kann hier von Vorteil sein.

Zusammengefasst müssen also auch nicht direkt betroffene Unternehmen Systeme zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aufbauen, um Anforderungen von Geschäftspartnern zu erfüllen, wettbewerbsfähig zu bleiben und Reputationsrisiken zu vermeiden. Eine proaktive Auseinandersetzung mit dem Thema ist ratsam.