NEUE REGELUNGEN FÜR E-COMMERCE AB 1. JULI 2021

Am 05.12.2017 hatte der Rat der Europäischen Union den Vorschlag der Europäischen Kommission (EU-Kommission) angenommen, die Rahmenbedingungen für die Umsatzsteuer-Compliance im grenzüberschreitenden elektronischen Handel ab 2019 stufenweise und grundlegend zu reformieren. Mit Fokus auf den grenzüberschreitenden Online-Handel sollten die gesetzlichen Neuerungen ab dem 01.01.2021 in den jeweiligen Mitgliedstaaten greifen.

Am 08.05.2020 wurde durch die EU-Kommission offiziell verkündet, dass die zum 01.01.2021 geplanten Neuerungen im Bereich E-Commerce aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise um weitere 6 Monate auf den 01.07.2021 verschoben werden. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 wurden die EU-Vorgaben durch das Mehrwertsteuer-Digitalpaket in nationales Recht überführt. Während der Referentenentwurf als Anwendungszeitpunkt noch den 01.01.2021 vorsah, wurde im Regierungsentwurf der erstmalige Anwendungszeitpunkt auf den 01.07.2021 verschoben.

Wichtig: Umstellung Ihrer Systeme:

Die unten aufgeführten Regelungen machen ein funktionierendes Multi-Channel-System und/oder Warenwirtschaftssystem und eine entsprechende Importschnittstelle zu den relevanten Buchführungssystemen (z.B. Ihres Steuerberaters) notwendig. Wir empfehlen dringend diese Anpassungen vorzunehmen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Auswertungen und Meldungen nicht korrekt erfolgen können. Im besten Fall lassen sich durch eine Anpassung erhebliche Automatisierungseffekt und damit Einspareffekte in Ihrem System und der Zusammenarbeit mit dem Steuerberater erzielen.

A) Grundsatz:

Die bisherige sog. Versandhandelsregelung des § 3c UStG verlagert den Ort der Lieferung an Privatpersonen bei grenzüberschreitenden Lieferungen im Gemeinschaftsgebiet an das Ende der Warenbewegung, falls die im jeweiligen Mitgliedstaat gültigen Lieferschwellen überschritten (EUR 35.000 bis EUR 100.000) werden oder der Unternehmer auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichtet. Das Überschreiten dieser Lieferschwellen in einem Mitgliedstaat führt dazu, dass sich der Unternehmer in diesem Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registrieren lassen muss, um die dort geschuldete Umsatzsteuer zu erklären und abzuführen.

Zukünftig wird ab 1. Juli 2021 in § 3c UStG für diese Ortsregelung der Begriff „Fernverkauf“ verwendet. Danach gelten innergemeinschaftliche Fernverkäufe dort als erbracht, wo sich der Gegenstand bei Beendigung des Transportes befindet. Die bisherigen unterschiedlichen Schwellenwerte der Mitgliedstaaten (EUR 35.000 bis EUR 100.000) weichen einer EU-einheitlichen Geringfügigkeitsschwelle in Höhe von 10.000 €, auf deren Anwendung weiterhin verzichtet werden kann. Diese Geringfügigkeitsschwelle gilt für alle Lieferungen in andere Mitgliedstaaten und ist nicht beschränkt auf Lieferungen in einen bestimmten Mitgliedstaat. Somit entfällt die derzeit erforderliche Überwachung der unterschiedlichen Lieferschwellen.

B) Im Detail:

  • Die bisherigen länderbezogenen Lieferschwellen i. S. d. § 3c UStG (vor JStG 2020) der einzelnen EU-Mitgliedstaaten entfallen.
  • Es gilt eine neue einheitliche Umsatzschwelle i. H. v. 10.000,00 Euro, für alle innerhalb der EU erbrachten grenzüberschreitenden Lieferungen / sonstigen Leistungen.
  • Bei Umsätzen bis zu 10.000,00 Euro bleibt es bei der umsatzsteuerlichen Erfassung in dem Mitgliedstaat, in dem der leistenden Unternehmer (also nicht der Kunde) seinen Sitz hat.
  • Bei Überschreiten der Umsatzschwelle von 10.000,00 Euro im gesamten EU-Ausland muss auf der Rechnung der Steuersatz des EU-Mitgliedstaats (Empfängerlands) ausgewiesen sein.
  • Sobald die Umsatzschwelle überschritten wird, besteht grundsätzlich eine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht im EU-Ausland, wenn nicht vom Wahlrecht des besonderen Besteuerungsverfahrens – Meldung über dasneue europäische Verfahren OSS – Gebrauch gemacht wird.
  • Von dem Unternehmer kann sowohl die lokale Registrierung als auch OSS genutzt werden. Wenn vom Wahlrecht des besonderen Besteuerungsverfahrens (OSS) Gebrauch gemacht wird, sind sämtliche dem § 18j UStG unterfallenden Umsätze (Fernverkäufe, sonstige Leistungen an Endkunden ggf. über Schnittstellen) auch über dieses Verfahren beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu melden. Alle nicht dem Verfahren unterfallenden Umsätze sind, wenn vorhanden, über das jeweilige lokale Besteuerungsverfahren im EU-Ausland abzuwickeln.
  • Empfehlung: wenn keine anderweitigen umsatzsteuerlichen lokalen Registrierungspflichten im EU-Ausland bestehen, ist eine Registrierung über das OSS-Verfahren für alle relevanten Umsätze zu empfehlen, um dem Mehraufwand einer lokalen Steueranmeldung in den jeweiligen EU-Mitgliedsländern vorzubeugen.

C) Besteuerungsverfahren und Registrierung

  • Die Teilnahme am Besteuerungsverfahren können Unternehmer auf elektronischem Weg beim BZSt beantragen. Die Antragstellung erfolgt über das BZStOnline-Portal.
  • Die Antragstellung ist ab 01.04.2021 mit Wirkung zum 01.07.2021 möglich und gilt einheitlich für alle Staaten der EU.
  • Die Unternehmer können dort die Registrierung für die für sie in Frage kommende Sonderregelung beantragen.
  • Die betroffenen Umsätze sind im Rahmen einerQuartalsanmeldung (im Falle der §§ 18 i, j UStG) innerhalb eines Monats nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums zu melden.
  • Hat sich der Unternehmer für das OSS-Verfahren registriert, besteht eine grundsätzliche Meldepflicht. Es sind gegebenenfalls Null-Meldungen einzureichen. Werden über einen Zeitraum von 2 Jahren keine Umsätze erbracht, kann der Unternehmer von der Finanzbehörde vom besonderen Besteuerungsverfahren ausgeschlossen werden.
  • Die Ausübung des Wahlrechts kann durch den Steuerpflichtigen vor Beginn des jeweiligen Besteuerungszeitraums mit Wirkung ab diesem Zeitraum widerrufen werden
  • Bei Umsätzen in fremder Währung gilt der Umrechnungskurs der EZB vom letzten Tag des Besteuerungszeitraums.

Vorteile

  • Keine lokale Steueranmeldung in den jeweiligen EU-Mitgliedsländern erforderlich
  • Keine länderspezifischen Kenntnisse zu den Steuerregelungen erforderlich
  • Keine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht
  • Cashflow Vorteil aufgrund Quartalsmeldung (im Falle der §§ 18i, j UStG)

Nachteile

  • Umstellungsaufwand in vorgelagerten Prozessen. Sie sollten die vorzunehmende Umstellungen baldmöglichst anstreben.  Sprechen Sie uns an, wenn wir hier unterstützen können.
  • Trotz Teilnahme am OSS-Verfahren kann eine umsatzsteuerliche Registrierung notwendig sein, z. B. bei Fulfillment-Strukturen (siehe unter D.).

D) Besonderheiten bei Fulfilment Service Strukturen!!

Die Nutzung des OSS-Verfahrens ist grundsätzlich auch bei sogenannten Fulfillment Service Strukturen möglich. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass bestimmte im Rahmen solcher Strukturen auftretende umsatzsteuerliche Sachverhalte (z. B. innergemeinschaftliche Verbringung, innergemeinschaftlicher Erwerb im Gemeinschaftsgebiet) nicht über das besondere Besteuerungsverfahren abgewickelt werden können.

Folgende Sachverhalte eines Fulfillment Centers können nicht über OSS gemeldet werden:

  • Innergemeinschaftliche Erwerbe
  • Lokale Lieferungen aus dem Lager im selben Mitgliedstaat (z.B. aus einem franz. Amazon-Lager an einen französischen Kunden).
  • Lokale Eingangsumsätze
  • Verbrauchsteuern

Das bedeutet:

  • Die Registrierungspflicht im Mitgliedstaat des Lagerhauses bleibt bestehen.
  • Fernverkäufe (in ein anderes EU-Mitgliedstaat) können trotz bestehender umsatzsteuerlicher Registrierung über OSS gemeldet werden (einheitlich alle Umsätze).
  • Innergemeinschaftliche Erwerbe, lokale Lieferungen innerhalb des Mitgliedstaats und ggf. lokale Eingangsumsätze müssen in der lokalen Umsatzsteuererklärung gemeldet werden.
  • Verbrauchsteuern müssen in der lokalen Verbrauchsteuererklärung gemeldet werden.

Gerne beraten wir Sie bei der Registrierung und der Umstellung Ihrer Systeme.