Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetz

Durch das am 30.06.2020 in Kraft getretene reformierte Arbeitnehmer-Entsendegesetz wurde die überarbeitete europäische Entsenderichtlinie (RL 2018/957/EU vom 28. Juni 2018) in Deutschland umgesetzt.

Mit der überarbeiteten Entsenderichtlinie wird bezweckt, dass für die ins Ausland entsandten Arbeitnehmer europaweit die gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gelten, wie für die jeweils einheimischen Arbeitnehmer. Durch die Umsetzung dieser Richtlinie in Gestalt der Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), soll somit der Schutz der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer ausgebaut werden, indem diese nun in stärkerem Umfang von den Arbeitsbedingungen profitieren, die in deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sowie in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen geregelt sind. Die Umsetzung der Änderungsrichtlinie lässt allerdings die sozialversicherungsrechtliche Komponente der Entsendung unberührt.

Ein weiterer Zweck dieser Reform ist es, die hiesigen Lohn- und Arbeitsbedingungen vor unfairer Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen und somit eine Wettbewerbsverzerrung und Lohndumping zu verhindern.

  1. Sofortige Anwendung aller Entlohnungsbedingungen in allen Branchen

    Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden, sind von nun an von Anfang an der Entsendung bei der Vergütung an die in Deutschland geltenden Entlohnungsvorschriften gebunden. Insbesondere gelten allgemeinverbindliche Tarifverträge inklusive aller Lohnbestandteile für alle Branchen.

    Neben dem Mindestlohn hat der Arbeitnehmer für alle Branchen auch Anspruch auf alle Mindestentgeltsätze sowie aller weiteren Lohnbestandteile, die in allgemein verbindlichen Tarifverträge oder gesetzlich vorgeschrieben sind, d.h. auch auf Überstundensätze, Zulagen (z.B. Schmutz- u. Gefahrenzulage), Sachleistungen des Arbeitgebers (soweit gesetzlich oder in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgeschrieben).

  1. Schrittweise Angleichung der Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeitnehmer in allen Branchen
  • Die Unterkünfte der entsandten Arbeitnehmer müssen den Mindeststandard der Arbeitsstättenverordnung von Anfang an entsprechen.
  • Der Katalog der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die auch für entsandte Beschäftigte gelten, sind erweitert worden. Wenn die aufgelisteten Arbeitsbedingungen in deutschlandweit geltenden allgemeinverbindlichen Tarifverträge geregelt sind, gelten sie nun auch von Anfang an für entsandte Arbeitnehmer und zwar in alle Branchen.
  • Nach zwölf Monaten gelten für entsandten Arbeitnehmern alle Arbeitsbedingungen, die am Beschäftigungsort sowohl in Rechts- und Verwaltungsvorschriften als auch in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgeschrieben sind (z.B. Entgeltfortzahlungsanspruch an Feiertagen, Anspruch auf Eltern- und Pflegezeit), unabhängig von der Branche. Ausgenommen sind die Regelungen zur betrieblichen Altersvorsorge, die Verfahrens- und Formvorschriften und Bedingungen für den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Vorschriften, die den Bestand des Vertragsverhältnisses als solches betreffen, z.B. Anforderungen an die Befristung von Arbeitsverträgen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, sowie kündigungsschutzrechtliche Vorschriften nach dem Kündigungsschutzgesetz und andere spezialgesetzliche Kündigungsschutzvorschriften wie etwa im Mutterschutzgesetz oder im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz), einschließlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote (§ 13b Abs.1 AEntG).
  • Die Beantragung einer Fristverlängerung dieser 12 Monate um sechs Monate ist in Ausnahmefällen möglich und muss vor Ablauf der Frist beim Zoll beantragt werden.
  • Für die Berechnung dieser 12 monatigen Frist gelten sehr enge Regelungen. Insbesondere läuft die Frist nach Unterbrechungen nicht wieder von vorne an, sondern die Einsätze werden zusammengerechnet. Ferner werden auch Einsatzzeiten innerhalb von verbundenen Unternehmen zusammengerechnet. Genauso werden die Beschäftigungszeiten zusammengerechnet bei Arbeitnehmern, die im unmittelbaren zeitlichen Anschluss (=zwischen beiden Beschäftigungen liegt keine Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Mitgliedstaat) weiter in Deutschland in ähnlichen Konstellationen beschäftigt werden, sowie wenn ein Arbeitnehmer durch einen anderen entsandten Arbeitnehmer, der die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführt, ersetzt wird. Für die Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten der Beschäftigung im Inland vor dem 30. Juli 2020 mitgezählt. In diesem Fall wird aber die Verlängerung um sechs Monate automatisch als gestellt angesehen (vgl. §25 Abs.2 AEntG), sodass also eine 18 monatige Beschäftigungsdauer noch unproblematisch ist.
  1. Kostenübernahme für Unterbringung, Reise und Verpflegung zusätzlich durch Arbeitgeber zu übernehmen

    Entsendebedingte Kosten
    , wie für die Unterkunft, Reisekosten oder Verpflegung müssen grundsätzlich vom Arbeitgeber nach den Regeln in ihrem Herkunftsland getragen werden. Diese Kosten dürfen weder den Arbeitskräften auferlegt werden, noch sind sie Bestandteil der Entlohnung, d.h. sie müssen zusätzlich zu der Entlohnung gezahlt werden.
  1. Begrenzung des Anwendungsbereich der Reformen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
  • Erstmontage- und Einbauarbeiten, die nur acht Tage innerhalb eines Jahres dauern oder
  • die Teilnahme an Besprechungen, Fachkonferenzen oder Messebesuchen etc., soweit sie 14 Tage ununterbrochen nicht und nicht mehr als 30 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten überschreiten,

    sind von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen. Für den Straßenverkehrssektor (Speditionswesen, Fernfahrer) gelten besondere Regelungen.

  1. Auswirkungen auf die Arbeitnehmerüberlassung:
  • Den Entleiher trifft bei der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung Unterrichtungspflichten gegenüber dem ausländischen Verleiher, damit dieser die für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Informationen erhält.
  • Auch für entsandte Leiharbeitnehmern gelten die gleichen Regelungen zu der Angleichung der Arbeitsbedingungen. à Der Bereich der Entlohnung ist ausgenommen und verbleibt bei den bisherigen Regelungen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.